Es ist ein englischer Garten – sehr gepflegt – mit vielen kleinen und halbhohen Buxbaumhecken. Ich habe zu dieser Einladung meine Trauer und meine Angst mitgenommen, sie freuen sich immer so, wenn sie mal angesprochen werden.
Wir drei tanzen durch den Garten als Ballettmädchen. Drei junge Mädchen freudig gespannt, ein bisschen verhalten und neugierig, tanzen oder eigentlich schreiten sie auf Spitze in den sonnigen Garten. Die Rosen, die ganz hinten an den Mauern blühen, verströmen einen ganz schweren berauschenden Duft. – Wenn Du beim Lesen innehältst, kannst Du es riechen – die Luft ist ganz still.
Wir schauen in die Heckengänge, aber alles ist leer und friedlich.
Nun wird die Freude aufgerufen und es erscheint eine in der Luft schwebende Geige auf dem großen Rasenplatz. Sie spielt, sie fiedelt, sie jauchzt und dreht sich, es ist eine helle Freude.
Ich möchte den Spieler erkennen, aber den gibt es nicht. Die Geige spielt selbst. Sie hat ein unbändiges Temperament. Schon vom Zuschauen wird man mitgerissen – es wird einem schwindelig.
Und, irgendwie erahnt man es, sie nimmt den Platz der ersten Geige im Orchester ein und spielt verhaltener weiter als nun die Trauer aufgerufen wird.
Es ist ein Cello. Sie spricht mich ungefragt an, erkennt wohl meine fragenden Augen – Quatsch, sie weiß was ich denke -. „Ich bin die warmen tiefen Töne, ich spiele in Moll“, sagt sie zu mir. „Was wärest Du ohne mich?“ Ich spüre diese tiefen Töne in mir, ich höre sie nicht nur, nein ich kann sie spüren: warm, süß, verführerisch, in langen Schwingungen. Ich stehe als Ballettmädchen davor und staune und verstehe.
Nun wird mir das Muster klar: meine Gefühle sind Instrumente. Welch genialer Vergleich!!!
Schmunzelnd halte ich inne und denke: nun braucht die Eitelkeit wohl erst einmal ein Instrument. Es ist die Querflöte.
Jetzt wird das Vertrauen aufgerufen. Ooooh, es ist ein riesiger weißer Flügel. Er nimmt fast die Hälfte dieser großen Rasenfläche ein. – Ja – er spielt die Hauptmelodie.
Immer schon hatte ich gesagt: – „Mir reicht nicht nur eine Oktave, ich möchte das Klavier von ganz unten bis ganz oben spielen können!“ Und nun dieser riesige wunderbare Flügel. Ich bin verzückt, er spielt meine Grundmelodie. Ich verstehe: ohne Vertrauen ist die Melodie schwach, ohne Halt.
Jetzt wird meine Depression aufgerufen, aber ich weiß nicht mehr, welches Instrument es ist, ich kenne es wohl nicht. Aber es sind auch unaufgerufen schon viele Instrumente dazu gekommen, die sich alle zu einem Orchester aufstellen. Sie sind für die feinsten Zwischentöne zuständig.
Nun kündigt sich die Wut an. Natürlich sind es die beiden großen Kesselpauken. Sie stellen sich still an ihren Orchesterplatz. Eine Stimme erwähnt noch, dass die Wut die kleine Hilflosigkeit hinter sich her schleift und ich schaue mich schon nach einem kleinen unscheinbaren Instrument um. Aber – die Hilflosigkeit kennt auch meine Gedanken und meint sehr selbstbewusst: „ Hier gibt es keine Wertigkeiten, hier hat alles dieselbe Berechtigung und Bedeutung“
Mein Orchester ist nun komplett – es sind wohl 100 Instrumente – Es ist ein Raunen wie im Orchestergraben – jeder stimmt sein Instrument.
Ich steige auf das Dirigentenpult – ganz konzentriert, ganze Glückseligkeit ob dieser Vielfalt, ganz stolz, hebe den Taktstock und gebe den Einsatz.
Nicht, nichts, nichts!
„Du kannst uns nicht dirigieren. Wir spielen dich“. Ich verstehe. Alles ist ganz logisch und unendlich klar. Ich werde gefragt, ob ich mit einem Gefühl näher sprechen möchte. Das Orchester antwortet: „Wieso, du brauchst doch nur zuzuhören. Wir spielen auch Solostücke. Wenn das bei einem Konzert geschieht, bist du doch immer die Erste, die klatscht. Du darfst bei uns auch klatschen, wenn Einzelne von uns ein Solo spielen. Aber du brauchst uns auch alle, damit der hohe Ton frei über der Grundmelodie dahinschweben kann.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen